Adam, Eve and the Devil

Mythen erfahren im Laufe der Geschichte, ebenso wie alle anderen Ideengebäude, oft erstaunliche Wandlungen; sie werden den Erfordernissen der Zeit angepasst, umgedeutet und umgeschrieben. Sie entwickeln ein Eigenleben, das wiederum als Teil der Ideengeschichte gelesen werden kann.

Paradies 2

Hieronymus Bosch, Vertreibung aus dem Paradies


Die beiden niederländischen Wissenschaftler der Protestantischen Theologischen Universität von Amsterdam, Marjo C. A. Korpel (Professor für Altes Testament) und Johannes C. De Moor (Professor für semitische Sprachen und Kultur) zeigen diesen Prozess am Beispiel des Ursprungsmythos von Judentum, Christentum und Islam.

Manafi al-Hayawan, Adam and Eve. Maragheh/Persien, Ende des 13. Jh.

Manafi al-Hayawan, Adam and Eve. Maragheh/Persien, Ende des 13. Jh.

„Adam, Eve and the Devil” lautet der Titel des 2014 erschienen Buches, für das die beiden die rund 3300 Jahre alten Ugaritischen Tontafeln, die 1929 in Syrien gefunden wurden, übersetzten. Dabei entdeckten sie Erstaunliches: Eine Urversion der Adam und Eva Geschichte. Der Inhalt dieser Vorlage weicht jedoch in wesentlichen Punkten von der etwa 800 Jahre später entstandenen biblischen Version ab. Adam ist in der Urfassung ein Gott, der gegen einen weiteren, einen „bösen“ Gott, als seinen Widersacher kämpfen muss. Letzterer verwandelt sich, um Adam zu täuschen, in eine Schlange, vergiftet den Baum des Lebens und fügt seinem Gegner eine Bisswunde zu, infolgedessen dieser seine Unsterblichkeit verliert. Um den nun sterblichen Adam zu trösten, erschafft die Sonnengöttin ihm eine „gute Frau“ und gibt ihr den Namen Eva (Chawwah = die Leben Schenkende). Nun kann Adam sich  fortpflanzen und seine Unsterblichkeit in neuer Form zurückgewinnen.

Lukas Cranach d.Ä.

Lukas Cranach d.Ä.

Mit dem Aufkommen der Vorstellung eines einzigen Gottes als Schöpfer von ALLEM musste auch der alte semitische Mythos (die ugaritische Sprache ist Teil der semitischen Sprachfamilie) von der Entstehung der Menschheit überdacht und neu ausgelegt werden – ein ganz normaler und beständig wiederkehrender Vorgang in der Menschheitsgeschichte. Eine Überlieferung, deren Inhalt mit einer neuen Religion/einem neuem Denken nicht mehr ohne weiteres übereinstimmt, wird nicht etwa verworfen, sondern in Einklang gebracht und damit verwertbar gemacht. Die Verfasser des Korans  bzw. seiner unmittelbaren Vorlagen gingen, um das jüngste Beispiel der Geschichte des Monotheismus aufzugreifen, bei der Verwertung christlicher und jüdischer Erzählungen ebenfalls nach diesem bewährten Schema vor und interpretierten viele der alten Geschichten neu.

Doch zurück zum Mythos um Adam und Eva: Mit der Idee eines einzigen Gottes war es logischerweise nicht vereinbar, dass Adam ebenfalls ein Gott ist. So wurde er zum ersten von Gott erschaffenen Menschen.

Eva und Adam im Halberstädter Dom

Eva und Adam im Halberstädter Dom

Die Ursünde wiederum, der erste Verstoß gegen ein Gebot Gottes („doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn sobald du davon isst, wirst du sterben.“, Gen 2,17) konnte erst in die Geschichte gelangen, als man diesen Gott als befehlenden und strafenden dachte.
Eva wird zwar, sowohl in der Urfassung als auch in der neuen Variante der alten Israeliten, eigens für Adam geschaffen, aber erst in letzterer entsteht sie aus seiner Rippe. Sie wird nun zur Verführten (durch die Schlange) und zur Verführerin (Adams), die die Schuld an der Vertreibung aus dem Paradies trägt.

Ein schönes Beispiel dafür, wie ein alter Mythos für neue Bedürfnisse und veränderte gesellschaftliche Verhältnisse samt neuem Glauben adaptiert wird.

Nina Scholz

Adam, Eve and DevilMarjo C. A. KORPEL und Johannes C. De MOOR, Adam, Eve and the Devil. A New Beginning (Hebrew Bible Monographs), Sheffield Phoenix Press 2014.

Jetzt auch als Taschenbuch: Adam, Eve, and the Devil: A New Beginning, Second Enlarged Edition, 2015

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